Wissensproduktion an der Universität Helmstedt

Projektbeschreibung

Die Universität Helmstedt (Academia Julia) gehörte in den knapp 250 Jahren ihres Bestehens (1576-1810) zu den profilierten und meist frequentierten Hochschulen des Alten Reichs. Trotz sehr guter Quellenlage ist die Geschichte dieser Bildungseinrichtung bislang nur in Ansätzen erforscht, wobei neben der unmittelbaren Gründungsphase vor allem die Entwicklung der sogenannten höheren Fakultäten (Theologie, Jurisprudenz, Medizin) interessierte. Das Gesamtprojekt zur „Wissensproduktion an der Universität Helmstedt“ besteht aus mehreren Erschließungsprojekten, die Material zur Entwicklung der Universität auf diesem Internetportal für weitere Forschungen zur Verfügung stellen, sowie gegenwärtig aus zwei Forschungsprojekten, die sich mit ausgewählten Aspekten der Hochschulgeschichte beschäftigen. Weitere Projekte sind in Planung.



Internetportal: Datenbanken zur frühneuzeitlichen Universitätsgeschichte

Datenbank ‚Vorlesungen’: Hier finden sich die lateinischen Lektionskataloge der Universität Helmstedt aus dem Zeitraum 1581-1810 und die deutschsprachigen Vorlesungsankündigungen aus dem Zeitraum 1745-1808 als Digitalisat und im Volltext. Verzeichnet sind ca. 27.000 Lehrveranstaltungen aller vier Fakultäten (Theologie, Jurisprudenz, Medizin, Philosophie).

Datenbank ‚Hochschulschriften’: In dieser Datenbank sind die Hochschulschriften (Dissertationen, Reden, Programme) aller Fakultäten zwischen 1576 und 1810 verzeichnet. Ungefähr ein Drittel der ca. 6.800 verzeichneten Titel sind mit den Digitalisaten in der Wolfenbütteler Digitalen Bibliothek (WDB) direkt verlinkt.

Datenbank ‚Matrikel’: In der Matrikel finden sich Angaben zu den ca. 46.000 Universitätsangehörigen und Universitätsbesuchern der Academia Julia (1574-1810). Die Daten wurden aus der gedruckten Matrikeledition übernommen, die zudem als Digitalisat zur Verfügung steht.

Datenbank ‚Rechenschaftsberichte’: In dieser Datenbank sind die Rechenschaftsberichte der Helmstedter Professoren über die tatsächlich gehaltenen Lehrveranstaltungen aus den drei ausgewählten Zeiträumen 1653-1660, 1700-1710 und 1750-1759 im Volltext verzeichnet. Teilweise finden sich unter den ca. 1.800 Berichten taggenaue Aufstellungen des vermittelten Unterrichtsstoffes.

Datenbank ‚Professorenkatalog’: Hier finden sich zur ersten Orientierung Angaben zu den ca. 240 Professoren, die an der Universität Helmstedt gelehrt haben.

Eine Beacondatei für die Helmstedter Professoren finden sie hier.


Forschungsprojekt I: Die Entwicklung der Philosophischen Fakultät

Die Datenbanken bilden die Grundlage für das Forschungsprojekt, das die Wissensproduktion an der Philosophischen Fakultät der Universität Helmstedt vertieft untersucht. Ausgewählt wurden die Zeiträume 1680 bis 1740 und 1740 bis 1810, in welchen sich die späthumanistische Artistenfakultät u.a. durch das Aufkommen der Eklektik, der experimentellen Naturlehre und der „Historia Litteraria“ deutlich wandelte, und die Helmstedter Universität zugleich mit den Gründungen der Universitäten in Halle (1694) und Göttingen (1737) starke Konkurrenz erhielt. Die aus dem Forschungsprojekt entstehenden Monographien untersuchen insbesondere die Laufbahnen des Lehrpersonals, die inhaltliche, institutionelle und methodische Seite des Lehrbetriebs, das Selbstverständnis der Fakultät sowie das spezifische Profil des dort vermittelten Wissens.

Als erste Monographie dieses Forschungsprojektes ist erschienen:

Jens Bruning, Innovation in Forschung und Lehre. Die Philosophische Fakultät der Universität Helmstedt in der Frühaufklärung 1680–1740 (= Wolfenbütteler Forschungen, Bd. 132). Wiesbaden: Harrassowitz, 2012, 344 S.

Rezension von Manfred Komorowski in IFB


Forschungsprojekt II: Der Helmstedter Professorenhaushalt

Das Forschungsprojekt untersucht das Verhältnis von Familie und Universität und schenkt dabei besondere Aufmerksamkeit der alltäglichen Haushaltsführung und den Verwandtschaftskonzepten. Mit der Reformation hielt an sämtlichen protestantischen Universitäten im Alten Reich das neue Ideal der Ehe Einzug. Nicht wenige Professoren heirateten fortan Töchter oder Witwen ihrer Kollegen und bildeten über den Heiratskreis ein gelehrtes Netzwerk. Zusammen mit ihren Familien boten sie vor allem im 16. und 17. Jahrhundert Mittagstische an, vermieteten Wohnräume und brauten eigenes Bier. Am Übergang zum 18. Jahrhundert lässt jedoch beobachten, wie sich das Selbst- und Fremdbild der Universitätsgelehrten erneut nachhaltig änderte und eine stärkere Distanz zur Familie aufgebaut wurde. Ziel des Projektes ist es, den Umgang mit der Familie als Ausdruck von gelehrten Lebensweisen zu konturieren und damit zugleich eine neue Perspektive auf die Wissenschaftsgeschichte zu eröffnen. Ausgewertet werden zu diesem Zweck neben dem archivalischen Bestand der Universität Helmstedt auch Leichenpredigten, Bestattungsprogramme, Kirchenbücher und Nachlässe von Universitätsprofessoren.

Die Monographie zu diesem Forschungsprojekt erschien 2014:

Elizabeth Harding, Der Gelehrte im Haus. Ehe, Familie und Haushalt in der Standeskultur der frühneuzeitlichen Universität Helmstedt (= Wolfenbütteler Forschungen, Bd. 139). Wiesbaden: Harrassowitz, 2014, 388 S.